Weniger ist mehr

Die Auflage schwindet stetig. Jahr für Jahr ein paar Tausend weniger. Mit dieser Tatsache, soeben wieder durch die AG für Werbemedienforschung (Wemf) belegt, müssen sich die Kaufzeitungen im Lande arrangieren. Ein Blick über den grossen Teich zeigt: Weniger kann sogar mehr sein. In den USA freuen sich manche Verlage, dass die Anzahl gedruckter Exemplare sinkt.

15’000 weniger beim Blick (auf noch 240’000), 9000 weniger beim Tages-Anzeiger (216’000), 7000 beim SoBli (265’000). Bei der NZZ beträgt das Minus 3000 (auf noch 143’000). Die Wemf-Zahlen, die auf der Selbstdeklaration der Verlage beruhen, aber dennoch die harte Währung im Geschäft darstellen, sind deutlich. Fast alle grossen abonnierten Tageszeitungen und die Wochenpresse, aber auch zahlreiche Magazine, verzeichneten kräftige Einbussen, ein Trend, der nun schon seit Jahren anhält, und nicht zuletzt Folge des Booms bei den Gratiszeitungen ist. Diese haben ihre Auflage in den letzten 12 Monaten nochmals steigern können, vor allem zulasten der Tageszeitungen.

Doch nicht alle lamentieren über den Abwärtstrend. Ja, es gibt Verleger, die freuen sich sogar, dass mit dem Auflageschwund auch die Kosten sinken. Schliesslich müssen weniger Bäume gefällt, weniger Druckerschwärze aufgetragen und weniger Verträger zur morgendlichen Lieferung bemüht werden. In den USA, wo die Auflagen der gedruckten Presse schon länger und mindestens so deutlich wie bei uns sinken, begründen Herausgeber ihre Freude über die Entwicklung. Die New York Times widmete dem Thema am Montag einen grossen Beitrag, „Why Big Newspapers Applaud Some Declines in Circulation“.

Getrieben von hohen Marketing- und Vertriebskosten und dem Druck der Inserenten, sagen sich viele Zeitungs-Verantwortliche, dass es keinen Sinn macht, manchen Lesern hinterher zu rennen, sie zu finden, zu mit kostbarer Ware bedienen und bei der Stange zu halten. Es sei aus Verlagssicht vielmehr rational, auf Qualität statt Quantität zu setzen, sagen Branchenexperten in den Staaten. Zugute kommt den Zeitungsmachern, dass sich auch die Inserentenhaltung ändert. Nicht allein die Reichweite, sondern die Zusammensetzung des Publikums mache eine Publikation interessant.

So begnügen sich mache Blätter jenseits des Atlantiks mit geringeren Verbreitungsgebieten, oder hören auf, mit sündhaft teuren Kampagnen ein paar wenige Neu-Abonnenten zu ködern. Im Durchschnitt betrugen die Kosten dafür 68 Dollar je gewonnener Kunde, schreibt die NYT. Die Verhältnisse hier dürften nicht viel anders sein. Mit dem Leitspruch „Weniger ist mehr“ dürften sich künftig auch hierzulande die Verlagsmanager anfreunden. Was bleibt ihnen auch anderes übrig. Tröstlich: Wer auf Qualität setzt, und hier vor allem auf journalistische Qualität, scheint die Krise besser zu meistern. (pv.ch)

Links:
Die Zahlen der AG für Werbemittelforschung (Wemf)

Die SDA-Meldung samt Tabellen (bei persönlich.com)

Der erwähnte Artikel der New York Times