«Wir sitzen viel zu Tisch»

Traumferien während der Arbeitszeit oder stressiges Umhergeschubse? Kritische Berichterstattung oder schlecht kaschierte Publi-Reportagen? In welchem Umfeld Pressereisen in der Tourismusbranche durchgeführt und verarbeitet werden, diskutierten an einem Podium des Switzerland Travel Writers & Tourism Journalists Club (STW) Reisejournalistinnen und -journalisten mit Vertretern von Veranstaltern und Promotoren.

Pressereisen – ob allein oder in der Gruppe – erleben derzeit eine Renaissance. Die Gründe hierfür sind die knapper werdende Budgets für Reisereportagen auf den Redaktionen, aber auch ein verstärkter Kampf um Aufmerksamkeit und den begrenzten redaktionellen Raum in den Medien. Welche Ziele Ländervertretungen, PR-Agenturen und Veranstalter mit ihren oft generösen Einladungen in die weite Welt verfolgen und wie Redaktoren und freie Journalisten ihre publizistische Verantwortung auf bezahlten Reisen überhaupt noch wahrnehmen können – diese Fragen standen im Mittelpunkt einer munteren Podiumsdiskussion, die der STW im Zürcher Luxushotel Baur au Lac organisierte.

«Kaum eine Redaktion finanziert ihre Reiseseite heute noch selbst», stellte Gesprächsleiterin Angela Allemann fest. Flüge, Hotel, Verpflegung, auf Pressereisen wird in der Regel alles bezahlt von Veranstaltern und Tourismusbüros, die dafür wohlwollende Berichterstattung erwarten. Und zuweilen auch die Nase rümpfen, wenn die Schreibenden die Angebote der Konkurrenz ebenfalls erwähnen. «Diese Reisen gehen ins Geld», weiss auch Peter Brun, Mediensprecher bei Kuoni und stets dabei, wenn sein Unternehmen zu einer der drei bis fünf Pressereisen pro Jahr lädt. Nach einem anstrengenden Besichtigungsmarathon, spät abends, wenn die Hotelbar schliesst, ist er es, der die Kreditkarte hinhalten muss.

Vielfach würde der Aufwand unter den Beteiligten aufgeteilt: Tour Operator, Fluggesellschaft, Hotels, Tourismuspromotoren, übernehmen einen Teil und stellen ihrerseits Erwartungen an die teilnehmenden Medienschaffenden. Dabei wird oft das gedrängte Programm weit überfrachtet, wie vielreisende Reiseschreiber klagen. «Wir sitzen viel zu Tisch», stöhnt Allemann. Brun kippt mitunter ganze Programmteile über Bord, um den gestressten Medienurlaubern eine Pause zu gewähren.

Wenn die Berichte erscheinen, wird ausgezählt, Zeichen, Zeilen, Bildanteil, und umgerechnet in Inserat-Äquivalente. «Unsere Kunden erwarten das», gesteht Melinda Cimino von der PR-Agentur F+W Communication, die unter anderem Malaysia und Dubai unter Vertrag hat. Wenn einer oder eine gar nach der Heimkehr nichts schreibt, dann droht auch schon mal die Streichung von dem Einladungsverteiler, berichtet Regine Rauss, Stellvertretende Leiterin der Deutschen Zentrale für Tourismus in Zürich. Solche «Schmarotzer» soll es geben, sie sind aber hierzulande eher selten, meint Peter Brun. 

Positive Berichterstattung gegen komfortable Lustreise? Nur im Motorjournalismus ist die Nähe zur Produktwerbung noch grösser. «Die Gefahr der Verbrüderung ist real», sagt Bernhard Sutter, freischaffender (Fach-)Journalist und Präsident des Zürcher Pressevereins.

Und wie steht es um die Transparenz? Dass die Leser einen Anspruch haben zu wissen, wer die Reise gesponsert hat, darüber waren sich die Podiumsteilnehmer einig. Susanna Heim, Tourismusredaktorin bei der NZZ am Sonntag, der die Danksagungen an die Geldgeber ein wenig unangenehm sind, verspricht, künftig am Schluss von Reiseberichten einen dezenten Gönner-Vermerk anzubringen. Diese Praxis ist jedoch keineswegs selbstverständlich. Die Redaktionen wollen doch nicht als arme Schlucker dastehen, die sich die Recherche von Marketingleuten bezahlen lassen.

Am anschliessenden Apéro Riche, den STW und damit die Mitglieder selbst bezahlt haben, gab es reichlich Gelegenheit zum Austausch und zur Diskussion unter den rund 40 Teilnehmern des Abends (Fotos: Gabrielle Attinger). (pv.ch/dst.)

Dieser Bericht wurde möglich dank freundlicher Unterstützung des STW (www.travelwriter.ch) und seiner Sponsoren. Die Reise zum Ort des Geschehens zahlte der Autor selbst. Ein besonderer Dank geht an das Team vom Baur au Lac für die spezielle Verköstigung.