Nach der Publikation von Währungsspekulationen auf dem Konto des Nationalbankpräsidenten und seinem anschliessenden Rücktritt prasseln heftige Vorwürfe auf die „Weltwoche“ und ihre Mitarbeiter ein, gerade von Journalisten. Wie wäre es mit etwas journalistischer Solidarität?
Ein persönlicher Kommentar zu den Vorgängen der letzten Tage, Gegenmeinungen erwünscht.
Bild: Roger Köppel bei Roger Schawinski, Screenshot sf.tv
Im Netz macht grade Witziges die Runde. Zum Beispiel diese, einem bekannten Politiker aus Herrliberg zugeordneten Neujahrsvorsätze:
Auch ziemlich witzig, wenn auch ein einfacher Winner, wie man beim Tennis sagen würde, ist dieser ausgesucht einseitige Zusammenschnitt des Talks zwischen Schawinski und Köppel am Montag:
Hier der Talk in voller Länge:
Inzwischen gibt es übrigens auch noch eine Schawinski-Version.
Dass auch wir all diese Spötteleien hier einfach so veröffentlichen können und dafür mutmasslich nicht in den Knast kommen oder sonst zum Schweigen gebracht werden, haben wir der Pressefreiheit zu verdanken.
Wenn nun ein Medium, dank dieser Pressefreiheit, eine wichtige Information publizieren kann, sagen wir, die womöglich äusserst fragwürdigen Währungsspekulationen des Nationalbankpräsidenten offenzulegen, dann sollte sich jeder Journalist im Lande grundsätzlich mal darüber freuen. Denn schliesslich ist es die Aufgabe von Journalisten, fragwürdige Aktionen darzulegen, gerade jene der Mächtigen und sehr Mächtigen.
Die „Weltwoche“ hat das getan, es war, anders als verschiedentlich behauptet wird, Journalist Urs Paul Engeler, der dank zugespielten Informationen am 5. Januar 2012 erstmals der Öffentlichkeit mitteilte, dass die Währungsspekulationen in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken auf dem Konto von Nationalbankpräsident Philipp Hildebrand stattfanden. Hildebrand ist folgerichtig, nach einem Wochenende Bedenkzeit, zurückgetreten. [Korrektur, 13:15 Uhr: Einen Tag vorher, wenn auch ohne es herauszustellen, berichtete Arthur Rutishauser im ‚Tages-Anzeiger‘ erstmals. Der Satz lautete: „Am 15. August kauft Kashya Hildebrand über das Konto ihres Mannes, für das sie eine Vollmacht besitzt, bei der Zürcher Niederlassung der Bank Sarasin Dollar für 400’000 Franken.“ Siehe dazu die Kommentare von Philipp Loser und Lukas Leuzinger, vielen Dank für den Hinweis.]
Trotzdem stehen seitdem die Journalisten der „Weltwoche“ unter Dauerbeschuss, gerade von anderen Journalisten – auf Facebook und Twitter geht es rund. Keine Frage, Details und Fehler, die rund um die Publikation geschehen sind, kann und soll man kritisieren, ganz grundsätzlich aber gehört dem Medium der Respekt für den Mut, diese für einen Notenbankchef absolut unzulässigen Handlungen zu veröffentlichen.
Ob Hildebrand bis dahin ein guter, beliebter, anständiger, gutaussehnder, freundlicher, tüchtiger, vielseits geschätzter oder auch lausiger Notenbankpräsident war, spielt aus journalistischer Sicht überhaupt keine Rolle – solche Fragen interessieren Politiker, aber nicht Journalisten. Jedes Medium im politischen Bereich hätte diese Informationen veröffentlichen müssen. Und am Ende jeder Geschichte mit dieser Informationslage hätte die Rücktrittsforderung stehen müssen. Die Kritik an der „Weltwoche“ ist mitunter auch recht bigott. Zum Beispiel spielt die Einhaltung des Bankkundengeheimnis bei Journalisten, die dieses längst tot erklärt haben, plötzlich wieder eine Rolle. Auch Vorwürfe über „Abzocker“, wie sie sonst schnell zur Hand sind, wenn es um reiche Banker geht, sind kaum welche gefallen.
Hier drehen sich einige die Welt, wie sie ihnen gefällt. Daran ist nichts auszusetzen, aber ist es nicht genau das, was man so oft als „ideologisch“ kritisiert? Ich glaube, der schnelle Rücktritt von Hildebrand gibt der „Weltwoche“ und allen Whistleblowern und „Briefträgern“ im politischen Spektrum recht, selbst wenn nicht alles zu hundert Prozent sauber abgelaufen ist. Tatsächlich hatte Hildebrand von Anfang an keine andere Option, und zwar aufgrund der Faktenlage. Und nicht aufgrund einer angeblichen „Hetze“.
Philipp Loser von der „Tageswoche“, die auch obigen Köppel-Zusammenschnitt veröffentlicht hat, listet als Vergehen der „Weltwoche“ auf, angegebene Quellen nicht, oder wenn, dann falsch oder unzureichend öffentlich gemacht zu haben. Doch das ist, ganz grundsätzlich, ihr gutes Recht. Es gilt der Quellenschutz, siehe dazu der Ratgeber des Presserats, Absatz „Wie gehe ich mit anonymen Quellen um?“:
Journalisten wahren das Redaktionsgeheimnis und geben die Quellen vertraulicher Informationen nicht preis.
Übertitelt ist der Tageswoche-Beitrag mit „All die Lügen“, warum auch immer.
Auch WOZ-Journalist Carlos Hanimann macht sich an eine Dekonstruktion der letztwöchigen „Weltwoche“-Titelgeschichte (und bittet dazu um Mithilfe). Auch wenn bereits einige kritikwürdige Punkte aufgefunden wurden, scheint das Ergebnis der Recherche zum Vornherein unmissverständlich klar und im Titel bereits festgeschrieben: „Die Lügen der Weltwoche“.
Sind es nicht genau solche ideologisch geprägten Vorverurteilungen, die a) nichts mit Journalismus zu tun haben, was ja b) Kernvorwurf an die „Weltwoche“ ist? Neutraler ran geht Philippe Wampfler, der sich das Köppel-Editorial vom 5. Januar in den Faktencheck nimmt.
Ich finde, es braucht mehr Solidarität unter den Journalisten, auch wenn sie nicht die gleichen Missstände aufdecken (es haben ja alle Medien und Journis eigene Themen, die sie für besonders wichtig halten). Echte Probleme haben keine ideologischen Grenzen und sollten, wenn auch unterschiedlich bewertet, von allen aufgegriffen werden. Wer wichtige Informationen ignoriert oder gar bekämpft, weil sie ihm nicht gefallen, ist falsch im Journalismus, das gilt für alle Seiten, natürlich auch für die „Weltwoche“.
Etwas weniger Aufgeregtheit würde allen Beteiligten gut anstehen. Einerseits sind die Informationen in den Fällen Zuppiger und Hildebrand so relevant, dass sie die „Weltwoche“ maximal sachlich verkünden könnte. Andererseits ist es ja die Ironie der Geschichte, dass die wilden Reaktionen der anderen Journalisten die allerbeste Werbung sind für ein Blatt, dessen Auflage in den letzten Jahren mehr gesunken als gestiegen ist. Eine bessere Werbekampagne hätte sich Roger Köppel nicht ausdenken können.
Siehe dazu auch:
„Schadeninspektion“ (medienwoche.ch, Nick Lüthi)
„Lehren aus dem Fall Hildebrand“ (Blog, Dominique Strebel)
„Empörungsbewirtschaftung und Stimmungsdemokratie“ (medienspiegel.ch, Prof. Kurt Imhof )
Offener Brief an Roger Köppel (Thinkabout.ch)