Jungjournalisten als SP-Wähler?

100 von 109 Schweizer Jungjournalisten glauben von den Schweizer Jungjournalisten, dass diese der SP (69), den Grünen (17) oder den Grünliberalen (14) nahe stehen. Sie antworteten auf eine Umfrage des Verbands Junge Journalisten, die nach einem Interview in der NZZ lanciert worden war.

Parteipräferenz Junge Journalisten 2014

Am Anfang der Debatte stand das von Rainer Stadler locker geführte Interview mit Sylvia Egli von Matt, der langjährigen Leiterin der Journalistenschule MAZ, das mit „Zu uns kommen müde Studenten“ übertitelt war. Zu der politischen Ausrichtung der jungen Journalisten sagte sie:

Die parteipolitische Bindung ist geringer als früher. Ich glaube zudem nicht, dass die links-grün-alternativen Positionen bevorzugt werden.

Der Verband Junge Journalisten überprüfte diese Aussage und fragte bei der eigenen Basis nach. Aber nicht auf direktem Weg, sondern mit der Frage „Welche Partei findet am meisten persönliche Zustimmung unter jungen JournalistInnen?“. 20 der 129 Befragten gaben keine Antwort. 69 der verbleibenden 109 glauben, das sei die Sozialdemokratische Partei, weitere 17 und 14 glauben, das seien die Grüne Partei bzw. die Grünliberale Partei. Die restlichen 9 teilen sich auf in die Parteien FDP, SVP, CVP und BDP.

Parteipräferenz Junger Journalisten 2014

Die Annahme von Egli von Matt scheint damit ziemlich widerlegt. Weltwoche-Journalist Christoph Landolt dagegen ist vom Ergebnis überhaupt nicht überrascht:

Vor allem erstaunt, dass sich 63 Prozent (!) der antwortenden Schweizer Jungjournalisten die Schweizer Jungjournalisten bei einer Partei verorten, die im Parteiprogramm nichts weniger als den Kapitalismus überwinden möchte (und damit, anders als viele der sozialdemokratischen Parteien im Ausland, offenkundig sozialistische Zustände anstrebt).

Ausschnitt aus dem SP-Parteiprogramm
Ausschnitt aus dem aktuell gültigen SP-Parteiprogramm von 2010, aktualisiert 2012

Was heisst das für den liberalen Staat Schweiz, wenn der Nachwuchs im Journalismus vom Nachwuchs im Journalismus glaubt, einer solchen Partei nahe zu stehen? Und können Parteien wie die CVP und BDP (je 1 Prozent vermutete Zustimmung), die SVP (2 Prozent) und die FDP (5 Prozent) erwarten, von diesen Journalisten fair und unvoreingenommen behandelt werden? Die Antwort lautet wohl ja, doch zurück bleibt ein unangenehmes Gefühl der totalen Unausgewogenheit. Kann man von diesen jungen Männern und Frauen erwarten, den aus ganz verschiedenen Richtungen immer wieder beklagten Medieneinheitsbrei aufzubrechen und mit neuen, bahnbrechenden Ideen anzureichern? Es bleibt zu hoffen. Aber woher bloss kommt diese extreme Einseitigkeit? Jungwähler, die nicht Journalisten sind, zeigen doch eine viel höhere Diversität.

Statt über Einschätzungen muss der Weg über Transparenz gehen. Wer seine eigene politische Haltung publik macht, hat die Möglichkeit, der Öffentlichkeit ein differenziertes Bild von sich zu zeigen.

Der Beitrag auf jungejournalisten.ch von Elia Blülle und Luzia Tschirky sowie die detailierten Umfrage-Ergebnisse behandeln weitere Fragen und sind sehr lesenswert.

Nachtrag, 12. Januar 17:30 Uhr: Der Text wurde an vier Stellen nachträglich umformuliert, siehe dazu die Diskussion in den Kommentaren.

  1. @Ferdi Fuchs, @Daniel Ammann, @Dennis Bühler: Ok, da habe habe ich beim Schreiben wohl etwas zu sehr vereinfacht. Deshalb habe ich nun den Text an vier Stellen etwas umformuliert.

    Einig sind wir uns aber wohl, dass die Frage anders hätte lauten sollen. Vielleicht machen ja die Jungen Journalisten mal eine Neuauflage. Es wäre interessant, zu erfahren, ob bei einer direkten Frage ein ähnliches Ergebnis herauskommt oder nicht.

  2. Ronnie, dass Du nach den gestrigen intensiven Diskussionen auf Twitter die Ergebnisse noch immer interpretierst, als ob nach der eigenen politischen Einstellung gefragt worden wäre, die man nun zu einer Gesamtheit aggregieren könnte, finde ich schwach – und kann ich mir nicht anders als politisch motiviert erklären.
    (Und damit sage ich nicht, die Frage sei in der Umfrage clever gestellt gewesen – im Gegenteil; die Ergebnisse sind wenig aussagekräftig; was aber schlicht nicht stimmt ist der Schluss, junge Journalisten stünden zu xy Prozent der SP nahe; zwar weist Du oben die Fragestellung korrekt aus, danach aber stellst Du auf Basis dieses Schlusses unterhalb des Tweets von Christoph Landolt Deine Fragen).

  3. @RonnieGrob: Also ist es doch schlicht falsch zu schreiben, die SVP habe 2 Prozent nahestehende Jungjournalisten. RIchtig ist: 2 Prozent glauben, dass die SVP am meisten Zustimmung unter Jungjournalisten erhält. Das sind zwei absolut unterschiedliche Dinge!

    Und 63 Prozent glaubt, dass die SP unter den Jungjournalisten die meisten Angehörigen hat. Auch das sagt kaum etwas aus. Vielleicht fühlen sich 10% der Jungjournalisten der SP nahe, was sie bereits zur stärksten Partei macht, da alle anderen sich zu gar keine Partei hingezogen fühlen (und Sylvia Egli von Matt recht hätte).

    Sorry, aber hier wurden die Zahlen einer wenig aussagenden Umfrage total falsch interpretiert.

  4. @Ferdi Fuchs, genau: Jungjournalisten beurteilen die politische Haltung ihrer Kollegen Jungjournalisten. Es geht also um die vermutete Haltung der eigenen homogenen Gruppe (junge Schweizer Journalisten), sich selbst ausgenommen.

  5. Kleines Detail, falscher Schluss: Die Frage lautetet „Welche Partei findet am meisten persönliche Zustimmung unter jungen Journalistinnen?“ und nicht „Welche Partei findet die eigene persönliche Zustimmung?“. Es ging also um die Haltung der Kollegen, nicht der eigenen.

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