Unabhängigkeit: Im Griff der Schatten-Verleger

Die Aussagen von Markus Somm und Hanspeter Lebrument sind eine Bankrott-Erklärung der redaktionellen Unabhängigkeit. Doch es ist ein offenes Geheimnis, dass die Redaktionen im Griff von «Schatten-Verlegern» sind.

Auf Radio1 sprach Markus Somm, Chefredaktor der «Basler Zeitung», in der Sendung «Roger gegen Markus» das Unaussprechliche aus: «Wenn ihr nicht zufrieden seid mit den Medien, dann müsst ihr aufhören, Inserate zu schalten.» Und fügte hinzu: «Wenn die Migros bei mir ein Inserat macht, dann muss sie sich nicht blöde heruntermachen lassen.»

Der Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument zeigte darauf in der «NZZ am Sonntag» Verständnis für Somms Aussagen: «Eine saubere Trennung zwischen dem Werbemarkt und dem redaktionellen Teil einer Zeitung ist viel schwieriger geworden als vor zwanzig Jahren, als es die finanzielle Lage erlaubte, die redaktionelle Unabhängigkeit über alles zu stellen.»

Lebruments Relativierung macht den Kern der Aussage nicht besser: Redaktionen sollen sich bei den Inserenten anbiedern.

Die «Schatten-Verleger»

Was dem journalistischen Ideal eigentlich diametral widerspricht, ist ein offenes Geheimnis. Denn auch wenn es bisher niemand laut zugab: Die Einflussnahme von Interessensgruppen wird immer grösser. Es sind «Schatten-Verleger», die Redaktionen durch ihre finanzielle Kraft in die gewünschte Richtung lenken können.

Nicht grundlos verzichtet die SVP auf eine Kampagne bei der Asylrevision: Die Rechtspopulisten wollen die Medien für die Ablehnung der Durchsetzungsinitiative abstrafen. In ihrem Narrativ sind die Journalisten nämlich massgeblich für ihre Niederlage verantwortlich.

Doch nicht nur politische, auch wirtschaftliche Interessen nehmen Einfluss: Wer zu schreiben versucht, dass der Migros-Quark besser ist als jener vom Coop, wird früher oder später auf Widerstand treffen. Man darf die beiden grössten Detailhändler und Inserenten nicht vergraulen. Kritische Berichterstattung und investigative Recherche zu den beiden Unternehmen sind rar. Die wirtschaftliche Schieflage bringt den Journalismus in ein Dilemma. Was gewichtet man höher: die Unabhängigkeit oder das Überleben? Es ist jenes Spannungsfeld, das Lebrument sehr beschönigend umschrieben hat.

Der Teufelskreis

Der Aufruhr nach den kontroversen Aussagen hielt sich in Grenzen. Alle kennen das Problem, alle versuchen irgendwie einen Weg zu finden – mehr oder weniger erfolgreich. «Watson» ist immerhin transparent und propagiert das Native Advertising. Bei den anderen Titeln bleibt das Ausmass der Einflussnahme von aussen nebulös.

Grundsätzlich ist es ein Problem des Geschäftsmodells. Funktioniert es, haben die Verlage genügend Sicherheit und können es sich leisten, jemandem an den Karren zu fahren. Funktioniert es nicht, wie es heute der Fall ist, werden Redaktionen zu leichter Beute. Deshalb wird die Unabhängigkeit weiter unter Beschuss sein, wenn kein alternatives Geschäftsmodell gefunden wird.

Bis dahin wird die Einflussnahme wachsen. Und die Leser sind nicht dumm: Sie merken, dass da etwas nicht stimmen kann. Kommt keine kritische Berichterstattung, wird das als Qualitätsschwund verbucht. Abos werden abbestellt und die finanzielle Krise verschlimmert sich weiter. Es ist ein Teufelskreis.

  1. Wenn ein Journalist beim Besuch eines Unternehmens einen faux-pas macht – z.B. infolge Zuspätkommens – sich dafür höflich beim Unternehmen entschuldigt – kommt es trotzdem vor (ein Fall eines Zürcher Wirtschaftsmediums ist nachweisbar), dass das zu spät besuchte Unternehmen sich trotz Entschuldigung beim CR beschwert – und dieser dann den guten Inseratenkunden zufrieden stellt, indem er den Journalisten einige Zeit später fristlos feuert.

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